Das Jahr 1900
Das kleine Fachwerkgebäude, das auf einer Halbinsel zwischen zwei Bächen an der Gengenbacher Nordspange steht, wird seit Jahrzehnten von den Gengenbachern liebevoll der „Tower“ genannt, ist es doch seit Generationen ein Wahrzeichen an der Kinzig. Allerdings ein Wahrzeichen, das zunehmend verfällt. Zugemauert wird es einem Geisterhaus immer ähnlicher. Dies wollen nun die beiden Gengenbacher Daniel Suhm und Jürgen Stumpfhaus verändern. Sie wollen dem Wasserschlößle seine Vergangenheit, aber auch seine Zukunft geben: Als ein begehbares Denkmal der frühen Industrialisierung des Kinzigtals, aber auch als ein kultureller Ort der Begegnung, der der Öffentlichkeit zur Verfügung steht. Rechtzeitig haben sie das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt und im Frühjahr 2021 von dem Enkel des Erbauers käuflich erworben.
Das Regierungspräsidium Freiburg, Stuttgart und Esslingen haben es im April 2021 als Kulturdenkmal, als Architekturdenkmal und als Technikdenkmal unter Schutz gestellt.
Die Denkmalbehörde schreibt:
Die Turbinenstation Reichenbach als Zeuge der Elektrifizierung Gengenbachs und der Entwicklung der bis heute bestehenden Pappenfabrik Albrecht Köhler ist eine der letzten erhaltenen Gleichstromanlagen in Baden-Württemberg. Aufgrund ihrer Beispielhaftigkeit für diese technische Entwicklung, ihres sehr guten Überlieferungs- und Erhaltungszustandes, ihrer Bedeutung für die industrielle Entwicklung Gengenbachs und auch ihres architektonischen Stellenwertes, der Verbindung traditionalistischer Architektur mit modernster Technik, wurde sie als Kulturdenkmal nach baden-württembergischem Denkmalschutzgesetz erkannt und ausgewiesen, damit sie auch für kommende Generationen erhalten bleibt.
Die kleine Turbinenstation am Reichenbach ist ein Gengenbacher Wahrzeichen, dessen einstiger Zweck und wechselhafte Geschichte aber nur die wenigsten kennen. Die, die das kleine Fachwerkgebäude an der Kinzig liebevoll ihren „Tower“ nennen, erinnern sich gerne an die legendären Parties, die dort zwischen den 1970 und bis in die 1990er gefeiert wurden, wissen aber oft nicht, daß der „Tower“, -durch dessen Turm die enge Wendeltreppe hoch in den ersten Stock und ins Dachgeschoss führt-, bis zum Morgen des 14. April 1945 noch anders aussah.
Denn seitdem fehlt dem „Tower“ seine Turmspitze und er ist nur noch von einem Notdach bedeckt. Vor dem 14. April 1945 bedeckte noch ein hoher, mit Ziegeln eingedeckter Fachwerkturm die einstige Aussichtsplattform, auf der 1900 ein große elektrische Lampe angebracht war. Wenn diese erstrahlte, wußten man in der einige Kilometer entfernten Pappenfabrik, jetzt kommt der Strom. Denn der Tower war ein Wasserkraftwerk, das Elektrizität produzierte. Nicht nur das, es war das erste des ganzen Großherzogtums Badens und wurde zum Zeichen einer neuen Epoche. Das Elektrizitätswerk , das 100 KV Stromleistung lieferte, betrieb nicht nur die Machinen der Pappenfabrik von Albert Köhler, sondern belieferte auch die Stadt Gengenbach mit der neuen Energie. Wir haben im Firmenarchiv von Albert Köhler ein Schriftstück gefunden, in dem der Bürgermeister und der Stadtschreiber die erste Glühbirne der Stadt Gengenbach quittieren. Man kann deshalb mit Recht sagen, daß diese kleine Reichenbacher Turbinenstation Gengenbach elektrifizierte. Mit dem modernsten Gleichstromdynamo seiner Zeit.
Alsbald sollten diese neue Energie in der ganzen Stadt Maschinen antreiben und Licht spenden. Es folgte eine alsbald eine weitere bahnbrechende technische Innovation. Im Turbinenhaus des „Towers“ wurde der erste Fernsprechapparat installiert, das Tele-Phon, mit der man der Maschinenhalle der Papierfabrik Bescheid gab, daß jetzt der Strom an- oder abgeschaltet wird.
Anfang der 1940 er Jahre galt der Turbinenwächter des „Wasserschlößles“ als bestens informiert, war er doch einer der wenigen, der über ein Radio verfügte, das über die eingeschränkte Bandbreite des Volksempfängers hinausging. Das Radio spielte auch am Morgen des 14. Aprils 1945, als ein Geräusch alles übertönte. Ein Geräusch, das tödliche Gefahr bedeutete. Ein amerikanischer Jagdbomber vom Typ P 47 D Thunderbolt https://de.wikipedia.org/wiki/Republic_P-47 schwenkte in das Kinzigtal ein und bereitete sich zur Bombardierung der Bahnstrecke vor. Angriffsziel waren Bahnhof und benachbarte Industrieanlagen, d.h. die Malzfabrik und die Papierfabrik Albert Köhler. Als erstes aber sah der Kampfpilot am äußersten Ortsrand von Gengenbach das „Wasserschlößle“, auf dessen Turm er einen Artillerie-Beobachtungsstand vermutete und sofort begann, es mit seinen Bordwaffen zu beschießen. Seit diesem Tag ist der eigentliche Turm des „Towers“ weg. Noch heute sieht man die Einschusslöcher in der Außenwand des „Wasserschlößles“. Bis heute fehlt der damals abgeschossene Balkon des Fensters, das beim Angriff in Stücke zerfetzt wurde. Ähnlich erging es dem Abort, den eine Salve aus den Browning Maschinengewehren des Jagdbombers wegfegte. Zum Glück saß der Turbinenwächter nicht drauf. (Wer weiß, wo er sich zur Zeit des Angriffs aufhielt, bitte melden!)
Ein Schadensbericht der Pappenfabrik Köhler vom April 1945 an das Luftschutzamt dokumentiert die damaligen Zerstörungen des Angriffs, für die allerdings seinerzeit keine Gebäude- oder Hausratsversicherung mehr aufkommen wollte. Ein Photo, das zu Beginn der 1920 er ´Jahre aufgenommen wurde, zeigt den Gengenbacher „Tower“ noch mit vorhandenem „Turm“, Balkon, Loggia und Abort.
Allein die erhaltenen Pläne des Architekten Friedrich Abel aus dem Jahr 1900 ermöglichen es den beiden Käufern des Towers, dessen früheres Erscheinungsbild zu rekonstruieren. Denn die beiden Gengenbacher haben sich zum Ziel gesetzt haben, den Tower nicht nur denkmalgerecht, sondern auch originalgetreu wieder instandzusetzen. Feriggestellt wollen sie ihn dann erstmals der Öffentlichkeit zugänglich machen: Als ältestes erhaltenes Wasserkraftwerk des Großherzogtums Badens, und,- als zukünftiger kultureller Veranstaltungsort kleiner geschlossener Gesellschaften. Denn auch letzteres knüpft an eine Gengenbacher Tradition an, war doch der „Tower“ jahrzehntelang ein Ort für kleine private Feste. Feste, an die sich viele Gengenbacher gerne erinnern.
Ein Schadensbericht der Pappenfabrik Köhler vom April 1945 an das Luftschutzamt dokumentiert die damaligen Zerstörungen des Angriffs, für die allerdings seinerzeit keine Gebäude- oder Hausratsversicherung mehr aufkommen wollte. Ein Photo, das zu Beginn der 1920 er ´Jahre aufgenommen wurde, zeigt den Gengenbacher „Tower“ noch mit vorhandenem „Turm“, Balkon, Loggia und Abort.
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Eine geodätische Vermessung ergab kürzlich, daß der einst großherzogliche „Tower“ heute inmitten der Ortenau liegt und der geographische Mittelpunkt des Landkreises ist. Aber wie kam es dazu, daß im Jahr 1900, also vor 121 Jahren, der wohl seinerzeit berühmteste badische Architekt Friedrich Abel von einem Gengenbacher Fabrikanten beauftragt wurde, ein kleines Industriegebäude am Ortsrand zu errichten? Und daß dieser Architekt keinen Kasten um das Kraftwerk baute, -wie heute üblich-, sondern ein schmuckes „Wasserschlößle“?
Alles begann mit der Entdeckung der Verwendung der Elektrizität im 19. Jahrhundert. Werner von Siemens brachte 1866 dann die Stromerzeugung zur Serienreife. 1882 glückte erstmals der Versuch einer elektrischen Energieversorgung über eine große Entfernung. Elektrizität sollte damit zum eigentlichen Motor der Industrialisierung werden.
Für die Gengenbacher Pappenfabrik von Albert Köhler bedeutete die Elektrifizierung einen riesigen Entwicklungsschritt: War die Pappenproduktion bis dahin auf die wärmere Zeit zwischen März und frühem Herbst beschränkt gewesen, -weil die Strohpappen auf den Wiesen in der Sonne getrocknet wurden-, konnte nun mittels elektrischer Energie das ganze Jahr hindurch getrocknet werden. Damit konnte die Pappenfabrik ihre Produktionskapazität enorm steigern. Um diese rasante Entwicklung, von einer kleinen Manufaktur hin zur industriellen Massenfertigung, weiter voranzutreiben, wurden im Jahr 1900 gleich zwei Wasserkraftanlagen durch die Firma Albrecht Köhler gebaut. Eine davon war die Reichenbacher Turbinenstation, die wir heute als „Tower“ oder „Wasserschlössle kennen, liegt es doch direkt vor dem Zusammenfluss des Gengenbacher Mühlbachs und des Reichenbachs in die Kinzig. Mit einem Durchfluss von 2,5 Kubikmeter pro Sekunde bei einem Gefälle von 5,4 Metern konnte hier die enorme elektrische Leistung von 100 Kilowattstunden erzeugt werden. Über den gestauten Mühlbach konnte der Wasserzufluss gezielt auf die Francis-Schachtturbine des Kraftwerks gelenkt werden.
Die Anlage, die aus dem Jahr 1899 stammt, ist bis heute erhalten. Ihr Kammrad und das Schwungrad wie der bauzeitliche Gleichstromdynamo der Nürnberger Firma Schuckert zählen damit laut Denkmalamt zu eine der letzten erhaltenen Gleichstromanlagen Baden-Württembergs. Unter dem Turbinenraum befindet sich ein massiv gemauerter „Kellerraum“, durch den bis 1966 das Wasser des Mühlbachs strömte, das die Schaufelräder der gigantischen Turbine antrieb. Bis heute ist Raum über eine enge Revisionsöffnung des Turbinenraumes begehbar. Eine steile Leiter führt hinab zum Kellerboden, wo die Francis-Turbine horizontalgelagert eingebettet ist. Das heißt, das die Höhe des sichtbaren Gebäudes nur zwei Drittel seiner tatsächlichen Maße ist. Denn der unter dem Kammrad befindliche „Kellerraum“ weist eine Raumtiefe von über 9 Metern auf.
Zurück zu dem Punkt, warum der berühmteste badische Architekt Friedrich Abel mit der Planung der Turbinenstation beauftragt wurde. Denn dieser wollte etwas ganz besonderes schaffen. Ein archektonisches Zeichen in der Landschaft, das die Technik feiert. Er wollte mit dem Bau nicht die Schwarzwaldmühlen als Vorgänger der Wasserkraftnutzung imitieren, sondern orientiert sich in seinem Fachwerkstil deutlich an Gebäuden des Kinzigtals. Im Obergeschoss befindet sich der Aufenthaltsraum des Turbinenwächters, der mit Stuckfried, Eichenparkett, Erker und Loggia so luxeriös ausgestattet ist, was den Stolz und die Kaufkraft des Auftraggebers verdeutlicht.
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Doch woher kam dieser plötzliche Schub, woher die Mittel, die den Motor der Industralisierung Badens erst auf Touren brachte und den Pappenfabrikanten Albert Köhler zum Ausbau seiner Manufaktur im Jahre 1900 befähigte? Die Gründe liegen einige Jahre zurück, im Krieg von 1870/ 71. Frankreich hatte Deutschland im Spätsommer 1870 angegriffen, aber den Krieg innerhalb von nur wenigen Monaten verloren. Die vernichtende Niederlage Frankreichs führte zur Gründung des Deutschen Reiches, ausgerechnet ausgerufen am ehemaligen französischen Königshof zu Versailles. Aufgrund seiner Niederlage mußte Frankreich dann doe Provinzen Elsass und Lothringen an die Deutschen abgeben. Die enormen Reparationsleistungen, die Frankreich durch den verlorenen Krieg zudem an das Deutsche Reich leisten musste, führten im Deutschen Kaiserreich zu einer regelrechten Wirtschaftsboom. Diese Epoche nennt man heute Gründerzeit.
Foto: Albert Köhler Firmenarchiv
Dies galt auch für den jungen hessischen Kaufmann Albert Köhler, der sich in dem nunmehr deutschen Straßburg als Händler für Buchbinderpappen niederließ, wo er erste Kontakte zu einer Papiermühle in Gengenbach knüpfte. 1889 gründete er dann dort seine eigene Hand- und Strohpappenfabrik. Mit 40 Jahren setzte er am Ende des 19. Jahrhunderts auf eine Vision, die viele Unternehmer mit ihm teilten: Die Elektrifizierung. Ihr folgte die Maschinisierung der einstigen Manufaktur. Alte Gebäude ließ Albert Köhler 1900 abreißen, um neue Fabriken und Anlagen zu bauen. Darunter auch die Wasserkraftanlage in Reichenbach, mit einer Turbinenanlage und einem Dynamo neuester Bauart, zur Stromerzeugung durch Wasserkraft.
Der Turm des „Towers“ bildete 1900 im Plan des Offenburger Architekten Friedrich Abel das besondere architektonische Element. Eine kleine Energie Kathedrale, die im Turm keine Glocken, sondern eine riesige Glühlampe trug, die weithin sichtbar war, als Zeichen der Neuen Zeit.

Bis ins Jahr 1947 erhielt die Stadt Gengenbach ihren gesamten Strom von der Pappenfabrik. Erst als der Strombedarf der Stadt durch die Pappenfabrik nicht mehr gedeckt werden konnte, folgte der Anschluss an die Badenwerk AG. Die Wiege der Stadtwerke steht deshalb in der Reichenbacher Turbinenstation, dem ältesten noch heute erhaltenen Elektrizitätswerk des badischen Großherzogtums. Dieses einzigartige Industriedenkmal wollen Daniel Suhm und Jürgen Stumpfhaus der Öffentlichkeit zugänglich machen. Aber weiter in der wechselhaften Geschichte des „Towers“. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte die französische Besatzungsmacht die Gengenbacher Pappenfabrik vollständig geplündert. Sogar die Stechuhr nahmen die Franzosen mit. Im eiskalten Winter des Jahres 1946 wurde der Wiederaufbau der Firma bewerkstelligt, die im Januar 1947 wieder den Betrieb aufnahm. Aus diesem Monat stammt der am 28. Januar 1947 geschlossene Vertrag über das Vorkaufsrecht der Stadt Gengenbach- auf das Wassernutzungsrecht der Firma Köhler in Reichenbach nebst vorhandener Anlagen. Das Vorkaufsrecht am Wasserschlößle wurde so zum Pfand des Wiederaufbaus.
Hanns-Hennig Junk, der Nachfahr des Gründers der Albert Köhler Papierfabrik, entschloß sich im Frühjahr 2021 den „Tower“ in die Hände von Daniel Suhm und Jürgen Stumpfhaus zu legen, verbunden mit der Absicht dadurch dem alten „Tower“ eine Zukunft zu geben. Als Denkmal und Ort der Begegnung. Helfen Sie deshalb mit, daß dies möglich wird.
Die Stadt Gengenbach will indessen das Vorkaufsrecht ziehen, um all dies zu verhindern.
Die beiden Gengenbacher Privatinvestoren Jürgen Stumpfhaus und Daniel Suhm, die den TOWER im April 2021 gekauft haben, sollen damit enteignet werden. Mit welchem Ziel? Wo ist das öffentliche Interesse? Weder eine denkmalgerechte Sanierung, noch eine öffentliche Nutzung ist von Seiten der Stadt vorgesehen. Das Wasserschlößchen wird zugemauert bleiben und damit langsam dem Verfall preisgegeben.
Helfen Sie mit, das zu verhindern!
Mit ihrer abgegebenen Stimme beim Bürgerentscheid am 28. November 2021.
Per Briefwahl oder in den Wahllokalen.
Entscheiden Sie selbst: Zugemauertes MAHNMAL oder geöffnetes DENKMAL ?
Soll die Stadt Gengenbach auf ihr Vorkaufsrecht verzichten, um unserem TOWER eine Zukunft geben?
Dann stimmen sie mit JA !!!
„Rettet den Tower!“